. . . zum Gärtner gemacht
In der Pressemitteilung des Petitionsausschuß vom 27.06.2012 ist zu lesen, die Petition der ehamaligen DDR-Flüchtlinge zur Erwägung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu überweisen.
Es ist sicher, sollte die Queen etwas zur Erwägung überweisen, würde dem stattgegeben werden. Aber wie ist es, wenn die Legislative der Exekutive etwas zur Erwägung überweist? Kann das BMAS so weitermachen wie bisher?
Die Kinderseite des Deutschen Bundestags erklärt die Aufgabe der Abgeordneten: „ . . . dass der Bundestag die Arbeit der Bundesregierung kontrolliert, damit die Bundesregierung nicht einfach machen kann, was sie will“.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat in seiner Ausarbeitung WD 6 – 3000-030/11 vom 29. Februar 2012 auf Seite 6 festgestellt.
Zitat:
„Die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält keine Ausführungen, die die Übersiedler und Flüchtlinge aus der. DDR betreffende Regelungen berühren. Im Zusammenhang mit der Frage der Wettergeltung des FRG bzw. der vom Bundesrat geforderten weiteren Absenkung des Niveaus für Aussiedler aus den Vertreibungsgebieten wird lediglich am Rande auf die Übersiedler aus der DDR eingegangen, ohne die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Regelungen zur Berücksichtigung von in Ostdeutschland zurückgelegten Zeiten zu thematisieren.“
Auf Seite 9, Zitat:
„Aus dem im Parlamentsarchiv vorliegenden Referentenentwurf vom 21. Februar 1991, sowie den Protokollen und Stellungnahmen der Sachverständigen lassen sich Aussagen zur rückwirkenden Ablösung des FRG für nicht rentennahe Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR nicht entnehmen. Zum Fremdrentenrecht wurde lediglich auf die Änderungen zu den Renten von Aussiedlern aus den Vertreibungsgebieten eingegangen.“
Seite 12, Zitat:
„Desweiteren sind Äußerungen zur Ablösung des Fremdrentenrechts für Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR in den im Parlamentsarchiv befindlichen Unterlagen nicht enthalten. Letztlich hat der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seiner Beschlussempfehlung dem Plenum des Deutschen Bundestages empfohlen, den Gesetzentwurf in geänderter Fassung anzunehmen. Die Änderungen bezogen sich nicht auf Regelungen, die Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR betreffen.“
In dem Dokument befinden sich weitere Textstellen, die eine Forderung nach Änderungen für ehemalige DDR-Übersiedler verneinen.
Anders ausgedrückt, es existiert auch kein Dokument des Bundestags oder des Bundesrats, welches eine Änderung des Status der ehemaligen DDR-Übersiedler verlangt, die bereits vor dem Mauerfall in das bundesdeutsche Rentensystem eingegliedert wurden oder mit Stichtag 18. Mai 1990 noch eingegliedert werden sollen.
Der § 259a SGB VI ließe sich dahin interpretieren, dass eine Eingliederung nach FRG nur noch für Personen vorgenommen werden soll, die nach Grenzöffnung bis zum 18. Mai 1990 von Ost nach West umgezogen sind, wenn vor 1937 geboren.
Diese Sichtweise wird durch den Kassler Kommentar von A. Polster zum §259a gestützt. Unter dem Randpunkt 2 findet sich der Satz, Zitat:
„ . . . Die Vers werden so behandelt, als wären sie ehem Übersiedler, die für die Bewertung ihrer BeitrZeiten im Beitrittsgebiet auf die Anwendung des FRG idF bis 30.6. 1990 (früher: §§ 15 Abs. 1 S 1, 22 FRG) vertraut haben. . . . „
Die Legislative hatte also niemals die Enteignung der ehemaligen DDR-Flüchtlinge vorgesehen. Da es doch geschah, wurde es ohne den gesetzgeberischen Willen durch die Exekutive heimlich vorgenommen. Sämtliche aufgefundenen Dokumente weisen auf einen Verursacher hin, das damalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) oder jetziges Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Damit ist auch die lange Bearbeitungsdauer der Sammelpetition erklärbar, sechs Jahre lang. Am 26. Juni 2012 hat der Petitionsausschuß einstimmig beschlossen die Petition dem BMAS zur Erwägung zu überweisen.
Erwägung – dies muß man nochmals ganz langsam durchlesen. Da wird nicht der Dieb aufgefordert das gestohlene Eigentum zurückzugeben, nein, er solle erwägen es zurückzugeben oder das Stehlen in der Zukunft zu unterlassen. Gerade die, die für den Betrug verantwortlich sind und das Petitionsverfahren seit Jahren verschleppen, die Abgeordneten mit Falschinformationen versorgt haben, die sollen nun letztendlich weiter über die Renten der ehemaligen DDR-Flüchtlinge bestimmen?
Was mich auch noch sehr verwundert. Warum wurde gerade das BMAS aufgefordert ein Änderung zu erwägen? Was wird sein, wenn das Ergebnis der Erwägung ist, ja es muß eine Änderung vorgenommen werden. Wird die gesetzliche Änderung dann vom BMAS formuliert werden, übernimmt das Ministerium wieder die Rolle des Gesetzgebers?
Wie wird es gelöst werden, wenn festgestellt wird, eine Änderung soll erfolgen ohne dass eine Gesetzesänderung notwendig ist, weil §256a (3a) zutreffend sei. Weist das BMAS dann die Rentenversicherer an nach dem Paragrafen zu verfahren? Wer hat dann vorher angewiesen nicht nach dem §256a (3a) zu verfahren?
Kann nicht sein, denn am 28. März 2011 wurde mir von einem Richter des Verwaltungsgerichts in Berlin-Moabit erklärt, das BMAS könne die Rentenversicherer nichts anweisen, weil sie selbstverantwortlich sind und kein Über-Unter-Verhältnis besteht. Der Prozeßvertreter des BMAS hat das auch so bestätigt. Ein Über-Unter-Verhältnis besteht aber zwischen Bundesverwaltungsamt und den Rentenversicherungen. So müßte das Bundesverwaltungsamt sich mit der Angelegenheit befassen.
Wie werden die Richter der Sozialgerichte vom Umdenken des BMAS erfahren? Eigentlich sollten Richter unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet sein. Ignorieren sie weiterhin die Einwände der Betroffenen, so wie bisher?
Ja, es wird spannend im Rechtsstaat, in der bundesdeutschen Demokratie.
Volker Hilgert