Gästebuch der Interessengemeinschaft
Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2011 > Rentenstreit um DDR-Flüchtlinge bleibt weiter ungelöst
Ausschuss für Arbeit und Soziales - 29.06.2011
Berlin: (hib/JMB) Der Rentenstreit um DDR-Flüchtlinge bleibt weiter ungelöst. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sitzung am Mittwochvormittag die wortgleichen Anträge der Fraktionen von SPD (17/5516) und Bündnis 90/Die Grünen (17/6108) mit dem gemeinsamen Titel ”DDR-Altübersiedler und –Flüchtlinge vor Rentenminderung schützen – Gesetzliche Regelung im SGB VI verankern“ mit Mehrheit der Koalitionsstimmen abgelehnt.
Aus Sicht der Fraktionen führt die nach dem Renten-Überleitungsgesetz vorgenommene Neubewertung der Rentendaten der eingegliederten DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge dazu, dass Altübersiedler, die nach 1936 geboren und bis zum Fall der Mauer in die Bundesrepublik gekommen sind, oftmals eine deutliche Rentenminderung erfahren. Daher soll die Bundesregierung gewährleisten, dass die Rentenansprüche dieser Gruppe nach den Tabellenwerten 1 bis 16 des Fremdrentengesetzes zu bewerten sind.
Ein Sprecher der SPD-Fraktion kritisierte den Widerstand der Koalitionsfraktionen gegen diese Forderungen. ”Wieso Flüchtlinge aus der DDR schlechter gestellt werden, begreift kein Mensch“, sagte er. Erst seien diese Menschen im Westen als Vorkämpfer der Freiheit gefeiert worden, und nun wolle niemand mehr etwas davon wissen. Er bezeichnete die Gegenargumente der Koalition als ”vorgeschoben“. In Wirklichkeit habe die Regierung kein Interesse, an dieses Thema heranzugehen.
Ein Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonte, dass ausgerechnet die Gruppe der DDR-Flüchtlinge benachteiligt werde, sei eine ”schreiende Ungerechtigkeit“. Diesen Menschen, die mit hohem Risiko aus der DDR geflohen seien, komme es in dieser Diskussion weniger auf Geld an, sondern darauf, ”dass sie wieder so behandelt werden, als seien sie DDR-Bürger“. Er appellierte an alle Fraktionen, rasch eine gemeinsame Lösung zu finden, da es sich bei den Betroffenen oftmals um ältere Mitbürger handele.
Demgegenüber widersprach ein Abgeordneter aus der CDU/CSU-Fraktion der Forderung nach einer schnellen Lösung. Diese sei nicht so einfach zu erreichen, da die geforderte Ausnahmeregelung zu Gunsten der Altübersiedler zu neuen Ungerechtigkeiten führen würde. Das Fremdrentenrecht sei aber mit allen Konsequenzen anzuwenden. ”Für alle – auch für Spätaussiedler aus Siebenbürgen oder Kasachstan“, sagte er und warnte vor einer ”Klageflut“.
Ein Vertreter der FDP-Fraktion appellierte an die Opposition, ihren Ton in dieser Debatte zu mäßigen. ”Wenn wir eine gemeinsame Lösung wollen, bringt es nichts, öffentlich auf die Trommel zu schlagen“, sagte er und attackierte insbesondere die Linksfraktion. Es sei schwer erträglich, wenn sich diese nun zum Anwalt von DDR-Flüchtlingen mache. ”Ihre politischen Vorgänger sind verantwortlich dafür, dass diese Menschen eine Gefahr für Leib und Leben auf sich nahmen“, kritisierte er.
Ein Sprecher der Linksfraktion wies die Kritik zurück und betonte, seine Fraktion habe bewusst keinen eigenen Antrag in dieser Thematik eingebracht. ”Ihr Vorwurf geht daher völlig an der Realität vorbei“, sagte er. Auch wehrte er sich gegen Kritik, die Linksfraktion instrumentalisiere die bestehende Ungerechtigkeit. ”Die Organisationen von Betroffenen, mit denen wir Kontakt hatten, haben sich an uns gewandt, nicht umgekehrt“, sagte er und betonte, auch die Koalition müsse mehr Zurückhaltung zeigen.
Anmerkung des Vorstands
WARUM?
WARUM verschweigt das BMAS oder informiert die Abgeordneten falsch, dass noch immer, und auch noch lange in die Zukunft, Renten nach dem Fremdrentengesetz für diese Personengruppen gezahlt werden:
a) polnische und ehemalige polnische Staatsbürger bei Wohnsitznahme im Gebiet der (vereinten) Bundesrepublik bis zum 31.12.1990
b) ehemalige DDR-Bürger älter als Geburtsjahrgang 1937 bei Wohnsitznahme bis zum 18. Mai 1990 (egal ob geflohen, ausgereist oder nach dem Mauerfall nur von Ost nach West umgezogen)
c) Beschäftigte bei Ost-Berliner Betrieben mit Wohnsitz in Berlin (West)
d) deutschstämmige Aussiedler aus osteuropäischen Ländern bei Wohnsitznahme in der Bundesrepublik Deutschland
e) der in den Bundestagsdrucksachen 13/3499 und 15/991 definierte Personenkreis, wenn nachträglich freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet wurden
WARUM behauptet das BMAS gegenüber Bundestagsabgeordneten, dass Fremdrenten generell um 40% reduziert sind, wo jeder nachlesen kann, dass für die Personengruppen a) bis c) weiterhin der Faktor 1,0 zur Anwendung kommt?
Für die Gruppe d) wurde erst ein Faktor 0,7 (30% Kürzung) eingeführt und später auf 0,6 (40%) geändert.
WARUM sind die 192.861 DDR-Flüchtlinge so ein gewaltiges Problem, wo doch die Gruppe a) mehr als 900.000 Personen umfaßt?
WARUM werden wir, und nur wir, über das Rentenrecht abgestraft, obwohl wir bereits in das bundesdeutsche Rentensystem eingegliedert waren?